Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel
III. Die 275. (GE) Infanteriedivision
Absicht des LXXIV. AK/der 7. Armee
Absicht der 7. Armee war es nach dem Abflauen der 1. Aachen-Schlacht und der Kämpfe im Hürtgenwald, eine stabile Abwehr auf die Beine zu bringen und der nur eilig bezogenen Verteidigung durch den Ausbau weiterer Stellungen westlich und im Zuge der Rur die notwendige Tiefe zu verleihen.
Nachdem der 7. Armee nicht verborgen geblieben war, daß der Gegner stärkere Kräfte nur im Raum Aachen konzentriert hatte, war hier vom weiteren Schwerpunkt auszugehen. Im Verlaufe der weiteren Kampfhandlungen war es entscheidend, daß die Lücke im Westwall südlich Aachen nicht erweitert wurde. Der Anschluß an die 2. Westwall-Linie im Raum ostwärts Zweifall sollte daher auf alle Fälle gehalten werden. Im südlichen Teil des Gefechtsstreifens der LXXIV. AK wurden keine größeren Angriffe erwartet.
Mit Aufschließen des Feindes auf den Westwall nördlich Aachen war die dort eingesetzte 275.(GE)InfDiv ab 19./20.09. aus der Front herausgezogen worden und sollte aufgefrischt werden. Sie verfügte an Kampftruppen praktisch nur noch über das abgekämpfte InfRgt 984. Kurz danach mußte sie bereits in den Raum Schevenhütte neben der 353. InfDiv eingeschoben werden. Am 1. Oktober 1944 erhielt die Division den Auftrag, bei gleichzeitiger Unterstellung der Truppen der 353 Div, auch noch deren Gefechtsstreifen bis zum Kall-Tal, Grenze zur 89. InfDiv, zu übernehmen. 8
Gliederung der Division
Da die Möglichkeiten der Division weniger von einem -theoretisch gegebenen - Auftrag oder von noch so guten Absichten, sondern vielmehr von ihrem realen Zustand abhingen, soll hierauf zuerst eingegangen werden.
Gliederung und unterstellte Truppenteile zeigt die Übersicht 2.
Auch hierzu einige Anmerkungen:
- Der hohe Anteil (5000 Mann!) an "Kämpfern" im Verhältnis zur Gesamtstärke der Div ist bemerkenswert. Rechnen wir die großen Umfange an Logistiktruppen, Kampfunterstützung und Bedienungen schwerer Waffen bei der US-InfDiv heraus, so war die 275. InfDiv der 9. InfDiv alleine von der Zahl der infanteristischen Kämpfer her nicht wesentlich unterlegen.
- Die hochtrabenden Begriffe wie "Sturmgeschützbrigade" und "Volksartilleriekorps" müssen relativiert werden. In der tatsächlichen Stärke handelte es sich um Kräfte in Stärke eines Bataillons bzw. einer Brigade.
- Das GrenErs- und AusbRgt 253 - zunächst im Raum Aachen eingesetzt - wurde mit zwei Bataillonen (453 und 328) von der 353. Div übernommen. Das Btl 473 war im Raum Aachen verblieben und wurde dort in die 12. Inf-Div eingegliedert. 9
- Im Lw-FestungsBtl XX bestand eine Kompanie aus dem ehemaligen Personal der Luftwaffendolmetscherschule, vollkommen ungeübt für den Infanterieeinsatz. Diese Kompanie lief im Zeitraum 10.-16.10. beinahe geschlossen zum Gegner über.
- Die angegebenen Zahlen über die Bewaffnung eines InfBtl sind auf 50% des Solls bezogen.
- Besondere Schwierigkeiten in der Versorgung und im Kampf brachte die unterschiedliche Bewaffnung der Infanteriebataillone, die zum Teil mit Beutewaffen aus italienischen oder tschechischen Beständen ausgerüstet waren sowie die unzureichende Munitionsausstattung der Artillerie. Die Munition mußte zumeist durch die Division "verwaltet" werden. Meistens konnte nur auf erkannte Feindangriffe oder auf erkannte Bereitstellungen Feuer frei gegeben werden. 10
Absichten und Einsatz der Division
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Aus den Darstellungen des Divisionskommandeurs, Gen. Schmidt, ist der Einsatz nur in großen Zügen zu entnehmen. Kräfteansatz, Führungslinien und Gefechtsstände zeigt die Skizze 1. Die Führungslinien sind nur im ungefähren Verlauf belegt. Die Sturmgeschütze wurden zum Teil als Reserve zurückgehalten, zum Teil einzeln oder gruppenweise im Zuge der durch den Wald führenden Wege, Schneisen oder Rollbahnen, jeweils nach Lage, zur Verstärkung der Infanterie eingesetzt.
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Die Kräfte der Division fanden im Zuge der Höhenschneise/Todtenbruch Anschluß an die 2. Westwall-Linie. Die Bunker im Raum Todtenbruch - Peterberg - Höhe 485 - Raffelsbrand - Kallbrück waren offensichtlich durch die Btl (von rechts) Ers/AusbBtl 328 - Landesschützen I/9 - Ers/AusbBtl 453 besetzt.
"Für die Div kam es darauf an, den Gegner unter allen Umständen im unübersichtlichen Waldgelände abzuwehren und ihm ein Heraustreten auf die freien beherrschenden Höhen zu verwehren, von wo ihm der Blick bis in die Rheinebene freigegeben war. Auch war der Besitz der Straße Düren - Hürtgen aus Versorgungsgründen für uns wichtig.
So unangenehm für den Einzelkämpfer dieses unübersichtliche Waldgelände war und höchste Anforderungen an Körper und Seele stellte, so brachte es doch auch manche Vorteile. Der Gegner konnte seine Luftwaffe und seine Panzer, die an die Wege gebunden waren, nur wenig und nicht so wirksam wie im freien Gelände zum Einsatz bringen, so daß sich diese für uns unangenehme Überlegenheit nicht voll auswirken konnte. Auch die Artillerie-Beobachtung war im Wald sehr erschwert." 11
Der Verlauf der HKL ist ebenfalls der Skizze 1 zu entnehmen. Im Abschnitt Roter Wehe - Bach befanden sich vor der HKL, also westlich des Flusses, noch Gefechtssicherungen.
Nach dem Abflauen der Kämpfe waren die Truppenteile der Division Tag und Nacht damit beschäftigt, ihre Stellungen zu verbessern und Sperren und Hindernisse anzulegen. In der Tiefe des Divisionsgebietes wurde mit Unterstützung von Arbeitskräften am Ausbau weiterer Stellungen gearbeitet. Fortgeschritten waren Stellungen der sogenannten Rur-Stellung im Raum Düren. Dort hatte die Division mit dem InfRgt 983 als Reserve auch den RgtKdr als Kampfkommandanten eingesetzt.
In der "Kampfschule" der Division, angegliedert dem FErsBtl, wurden Ausbildungs-lehrgänge durchgeführt. Die Division betrieb fortlaufend tief angesetzte Aufklärung zu Fuß, bis zu der ungewöhnlichen Tiefe von etwa 15 km im feindbesetzten Gebiet. Diese Aufklärung war über mehrere Tage angesetzt und konnte nur mit Unterstützung von Teilen der Bevölkerung durchgeführt 11a werden, die noch im Kampfgebiet verblieben waren. So hatte die Division ein sehr zutreffendes Lagebild. Dennoch kam der Angriff für die Deutschen etwas überraschend, weil sich nach ihrer Auffassung - gemessen an dem schwierigen Waldkampf - kaum lohnende Angriffsziele im Hürtgenwald boten. 12
Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel