Die Schlacht im Hürtgenwald - II. Teil

Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel

Im Teil I wurde ein Überblick über die Gesamtlage gegeben, die Ausgangslage der westlichen Alliierten dargestellt, auf die Verhältnisse am Westwall und die dort eingesetzten deutschen Kräfte eingegangen sowie der Beginn der Kämpfe geschildert. Der Teil II befaßt sich mit den Kämpfen bis Mitte Oktober 1944 zwischen den Verbänden und Einheiten der 9.(US) Infanteriedivision und der 275. deutschen Infanteriedivision.

September 1944 - Februar 1945

I. Das Ergebnis des Septembers

  1. Überbück

    Der Vorstoß des VII. (US)Korps im Stolberg-Korridor, die ersten Angriffe der 9.(US)InfDiv im Hürtgenwald, die in dieser Ausarbeitung nicht beschriebenen Angriffe des XIX. (US)Korps der 1.(US)Armee nördlich von Aachen 1 hatten gezeigt, daß ab Mitte September 1944 ein schnelles Überwinden des Westwalls aus der Bewegung, gar ein Vorstoß zum Rhein, nicht mehr möglich war.

    General von Gersdorff, Chef der 7. (GE) Armee, war etwa ab dem 17. September (Eingreifen der 12. (GE)InfDiv südwestlich Aachen!) überzeugt, den Westwall halten zu können. 2 Waren die Amerikaner zu diesem Zeitpunkt und danach äußerst erstaunt über die Revitalisierung des deutschen Heeres (die Deutschen hatten sich “totgestellt”, so die etwas sarkastischen Äußerungen einiger alliierter Kommandeure), so wunderte man sich auf der deutschen Seite, nicht wissend von den logistischen Problemen der Alliierten, über deren zögerndes Vorgehen, da zwischen Westwall und dem Rhein nichts mehr verfügbar war, um sie aufzuhalten. Aber es ist eben etwas schwierig, "auf die andere Seite des Berges zu schauen", wie Lidell Hart einmal geschrieben hat.

    So sei heutzutage, trotz weitreichender Aufklärungsmittel, trotz Satelliten und trotz einer in langen Friedensjahren angeblich eindeutig erkannten Kräfteordnung ROT, vor allzuviel Sicherheit vor Überraschung, festliegenden Hauptstoßrichtungen des Gegners, vor Automatismus in der eigenen Operationsführung gewarnt.

  2. Vorläufiges Einstellen des Angriffs

    Trotz des Entschlusses zum Vorstoß auf breiter Front, trotz der Dringlichkeit, mit höchster zeitlicher Priorität die Schelde-Mündung zu öffnen, hatte Eisenhower noch einmal Montgomery nachgegeben, mit der Operation MARKET-GARDEN, der Luftlandung zwischen Eindhoven und Arnheim, den Versuch zu machen, den Westwall nach Norden zu umgehen und Übergänge über den Niederrhein zu nehmen. Der Versuch war gescheitert: "A bridge too far" - so Cornelius Ryan - ein zu ehrgeiziger und damit ein schlechter Plan, und nicht die schlechte Ausführung eines guten Plans, wie kürzlich im Zusammenhang mit der Invasion in der deutschen Presse behauptet worden ist. 3 Ab 25.09. wurden alle Angriffshandlungen im gewonnenen Geländeraum bei Nimwegen eingestellt, nachdem die 1.(US)Armee, mit der Ausnahme des VII. Korps, schon etwa ab dem 22.09. den Übergang zur Verteidigung befohlen hatte. Nach den letzten Angriffsversuchen der 9. (US)InfDiv im Raum Zweifall-Todtenbruch, läßt auch General Collins ab 30.09. alle weiteren Angriffe zunächst einstellen. Der Vorstoß zum Rhein konnte nur durch einen Angriff nach Vorbereitung sichergestellt werden. Hierzu waren Voraussetzungen zu schaffen.

  3. Umgliederungen auf der alliierten Seite

    Inzwischen war nach dem Fall von Brest die 9. (US)Armee unter General Simpson in
    der Bretagne frei geworden. Um sich im Schwerpunkt - 1.(US)Armee im Raum Aachen - stark machen zu können, wurde die 9. (US)Armee zwischen der 3. und 1.(US)Armee im Raum St. Vith - Echternach im alten Gefechtsstreifen des V.(US)Korps, grob gesagt im Raum Luxemburg, eingeschoben. Die Übernahme erfolgte Ende September/Anfang Oktober und war am 4. Oktober abgeschlossen. Das V. (US)Korps hatte den Südteil des Gefechtsstreifens des VII. (US)Korps bis in den Raum Monschau-Elsenborn zu übernehmen, wodurch dessen Frontbreite von knapp 60 km auf etwa 34 km verringert wurde. Während sich die Front der 9.(US)InfDiv im September zwischen Schevenhütte und dem Raum Monschau auf über 30 km erstreckt hatte, konnte sie folglich auf einer Breite von 15 km konzentriert werden. Da das 47 th Infantry noch im Raum Schevenhütte stand, war es möglich, die beiden anderen Rgt., 60 th und 39th Infantry im Raum Zweifall-Todtenbruch für zukünftige Aufgaben zusammenzufassen.

  4. Absichten der Alliierten und ungelöste Probleme

    Der September hatte sowohl dem Oberkommando der Alliierten, als auch den Heeresgruppen, als auch den Armeen einige "ungeknackte Nüsse" übriggelassen, um die man sich nun kümmern mußte, sollte der Vorstoß auf den Rhein gelingen. Im Bereich der 1.(US)Armee waren die noch zu lösenden Aufgaben:

    • Zum Schutz der rechten Armeeflanke waren die Hochflächen im Monschau-Korridor zu nehmen. Dies setzte ein weiteres Vordringen im Hürtgenwald voraus.
    • Aachen war zu nehmen, um einen breiteren Kräfteansatz zu ermöglichen. Hierzu war es u. a. erforderlich, durch einen Angriff des XIX. (US)Korps die Stadt auch von Norden her zu umfassen und eine breitere Lücke durch den Westwall zwischen Geilenkirchen und Aachen zu öffnen, und schließlich
    • mußte der durch die alliierten Luftlandungen zwischen Eindhoven und Nimwegen westlich der Maas entstandene deutsche Brückenkopf gesichert oder beseitigt werden.

    Es ist hier nicht der Platz, sich neben dem Hürtgenwald um den Ablauf der Kämpfe in den anderen Räumen zu kümmern. Nur so viel sei gesagt: Da der Vorstoß des XIX. Korps nördlich von Aachen am 02.10. beinahe gleichzeitig mit dem erneuten Angriff der 9. (US) InfDiv begann und die 7. (GE) Armee dort ihren Schwerpunkt sah, waren für den Hürtgenwald nur "Brosamen" an zusätzlichen Kräften übrig. Die hier eingesetzten Kräfte mußten im wesentlichen mit dem auskommen, was sie hatten. 4

    Die Aufgaben für die 9.(US)InfDiv waren somit klar. Erneut mußte sie sich durch die düsteren, unheimlichen und beinah undurchdringlichen Waldgebiete hindurchkämpfen.

  5. Lage und Absichten der deutschen Führung im Nordteil der Westfront

    Das Zerschlagen der alliierten Luftlandungen um Arnheim hatte den Deutschen noch einmal einen respektablen Ab­wehrerfolg gebracht. Mit dem Ergebnis der Kämpfe im September, so meint Thompson 5 , muß Hitler Ende dieses Monats die Überzeugung gehabt haben, mit der Aussicht auf die schlechte Jahreszeit "noch einmal einen Winter zu überstehen". Konsequenterweise waren bereits Ende September/ Anfang Oktober seine Planungen viel weitreichender, als dies seinen Armeeführern bekannt war. Überzeugt von den inneren Widersprüchen zwischen kommunistischem totalitärem System und westlichen Demokratien, überzeugt von der Schwäche Amerikas und der Kriegsmüdigkeit in Großbritannien, mußte neben dem V-Waffen-Beschüß den beiden westlichen Hauptmächten ein entscheidender Stoß versetzt werden, bevor man sich wieder nach Osten wenden konnte... Die Ardennenoffensive zeichnete ihre Umrisse ab, wenn auch Heeresgruppen und OB West erst am 28.10. 1944 in die Planungen eingewiesen wurden. 6

    Da kam es darauf an, westlich des Rheins so wenig Raum wie möglich aufzugeben. Durch die Vorgaben des OKW, des OB West, aber auch aus eigenem Antrieb, waren Heeresgruppe B und ihre unterstellten Armeen entschlossen, unter weitgehender Nutzung des Westwalls zu halten, dabei vor allem dem vermutlichen Schwerpunkt des Feindes im Raum Aachen den eigenen Schwerpunkt entgegenzusetzen, um ein Ausweiten des “Lochs” im Westwall zu verhindern. Neben dem Zurückführen und Eingliedern der 15. Armee in die Front, richtete die Heeresgruppe B ihre Hauptanstrengungen darauf, durch den Ausbau eines tiefgestaffelten Stellungssystems westlich des Rheins eine Abstützung der Front sicherzustellen und einen überraschenden Durchbruch zum Rhein zu verhindern. Auch hierfür war es wesentlich, so lange wie möglich mit den Teilen der 7. Armee westlich der Rur und in der Eifel im verteidigungsgünstigen Gelände zu halten.

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Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel

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