Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel
VI. Der Kall-Abschnitt
Der Kall-Trail
Einer der kritischen Punkte im Operationsplan der 28. (US) InfDiv war die Trennung des Gefechtsfeldes in einen “Teil Vossenack” und einen “Teil Kommerscheidt/Schmidt” durch die tief eingeschnittene Kallschlucht. Zwischen Kallbrück und Zweifallshammer führten, mit Ausnahme des sog. “Kall-Trails”, keinerlei Wege von Nord nach Süd durch den Talgrund. Vom Zustand des Weges hingen aber Verbindung und Versorgung der Kräfte ab, die Schmidt genommen hatten und danach in den Monschau-Korridor vorstoßen sollten, und nur über diesen Weg waren Panzer nach Schmidt zu bringen. Über die Beschaffenheit des Trails lagen nur Luftaufnahmen, aber keine Ergebnisse aus der Gefechtsaufklärung oder Erkundung vor. Nach Karten und Luftbildern mußte der Kall-Trail ein schmaler Feldweg sein, ziemlich steil abfallend (Höhenunterschied 150 m) in den Talgrund, mit einer Brücke bei der Mestrenger Mühle den Fluß überquerend, um dann in scharfen Windungen wieder nach Kommerscheidt aufzusteigen. Wegen der Bedeutung des Weges war zu seiner Sicherung und zum Unterhalten das 20. (US) EngrBtl angesetzt worden, auf Zusammenarbeit angewiesen mit dem 112. InfRgt.
Panzer über dem Kall-Weg
Das 20. EngrBtl hatte zum Unterhalten des Weges zwischen Vossenack und der Brücke die B-Kp/20, zur Sicherung im Talgrund und zum Unterhalten des Weges zwischen Brücke und Kommerscheidt die A-Kp/20 befohlen. Die C-Kp/ 20 war Reserve. Die den Infanteristen des I./III./112 nachfolgende Pioniererkundung ergab, daß der Kallweg vom Waldeingang an südlich von Vossenack sehr steil abfiel, etwa 3,50 m breit war (exakt die gleiche Breite wie ein Sherman-Panzer), nach rechts durch steil aufragende, felsige und zum Teil bewaldete Hänge begrenzt war, nach links fiel der Hang ebenso steil in den Talgrund ab. Felsbrocken ragten aus dem Untergrund. Erste Versuche der A-Kp/707 am Nachmittag des 3. November, den Weg bis in den Talgrund zu überwinden, waren zurückgestellt worden, bis die Pioniere der B-Kp/20 den Weg verbessert haben würden. Trotz der Bedeutung des Weges arbeitete in der Nacht 374. November nur ein Zug, der nicht einmal über Sprengmittel verfügte, mit leichtem Gerät am Weg. Vom Morgen des 4. November an war ein weiterer Zug der B-Kp sowie die Masse der A-Kp südlich der Kall eingesetzt. Eine Sicherung durch die A-Kp - wie befohlen - erfolgte jedoch nicht.
Am Morgen des 4. November versuchte der I.Zug der A-Kp/707 erneut mit seinen fünf Panzern zur Kall-Schlucht hinunterzufahren. Den Waldeingang blokkierte ein ausgefallenes “Weasel”-Fahrzeug. Beim Umfahren dieses Hindernisses lief der erste Panzer auf eine Mine. Nur unter Schwierigkeiten gelang es bis Tagesanbruch mit vier Panzern bis in den Talgrund hinunterzufahren. Im Tal selbst blieb ein weiterer Panzer im aufgeweichten Gelände stecken und fuhr sich fest. Die drei verbleibenden Panzer fuhren den steilen Anstieg nach Kommerscheidt hinauf.
Der nachfolgende II.Zug war weniger geschickt: Ein weiterer Panzer rutschte neben dem ersten ausgefallenen Panzer ab und blockierte den Waldeingang, zwei weitere Panzer fuhren auf dem felsigen Untergrund auf oder warfen an den engen, steilen Biegungen ihre Ketten. Insgesamt verstopften nun fünf ausgefallene Panzer den Weg. Die Verbindung nach Schmidt war unterbrochen. 18
Die Aufklärungsabteilung 116
Die tatsächliche Lage am Kallweg blieb sowohl dem GruppenKdr der Pioniere als auch der Divisionsführung bis zum 4. November abends verborgen. Dann befahl der DivKdr, General Cota (der bis zum Ende der Schlacht nicht ein einziges Mal bei seinen vorne eingesetzten Kräften auftauchte), den Weg unter allen Umständen zu räumen, notfalls die ausgefallenen Panzer den Hang hinunterzusprengen. Am Morgen des 5. November um 03.00 Uhr war der Weg daraufhin frei. Weitere sechs Panzer der A-Kp/707 und insgesamt neun JPz der B-Kp/893 (US) PzJgBtl passierten den Talgrund und erreichten Kommerscheidt. Neun Kampfpanzer und neun Jagdpanzer sollten die einzigen gepanzerten Kampffahrzeuge bleiben, die im Raum Kommerscheidt/Schmidt in die Kämpfe eingreifen konnten.
Inzwischen war die A.A. 116, verstärkt durch die DivBegleitKp, von Zweifallshammer aus angetreten, um zur Mestrenger Mühle vorzustoßen. Unter starken Flankensicherungen, insbesondere die offene Hochfläche nach Vossenack hinauf, ging die Abteilung im Zuge der Ost-West-Uferstraße vor. Die Masse der Kompanien - abgekämpft und nicht voll aufgefüllt - war im infanteristischen Einsatz.
Die A-Kp/20 hatte nur eine schwache Sicherung an der Brücke belassen. Sie selbst hatte sich in dem Wald südlich Vossenack in ein “befestigtes Lager” zurückgezogen. An der Brücke war zusätzlich inzwischen ein schwacher Zug der C-Kp/20 in Stellung gegangen.
Bis zum 5. November abends stoßen die Teile der A.A. 116 zur Mestrenger Mühle durch und nehmen dort Verbindung mit dem GrenRgt 1056 der 89. (GE) InfDiv auf, die von Südwesten her ebenfalls in den Kallgrund vorgegangen war. Der Zug C-Kp/20 an der Brücke sowie Teile der B-Kp/20 zwischen Waldeingang südlich Vossenack und Kallbrücke werden vernichtet. Die Verbindungslinie nach Kommerscheidt ist wieder unterbrochen. Die Deutschen verminen den Kall-Weg erneut und legen Baumsperren auf beiden Seiten des Talgrundes an. Teile der A.A. 116 beherrschen das offene Gelände südlich Vossenack. Amerikanische Versorgungsfahrzeuge und Verstärkungen laufen in Hinterhalte, fallen entweder durch Minen aus oder werden an den gesicherten Sperren niedergekämpft. 19
Abgeschossene US Panzer
Task Force Ripple und 1340. (US) Engineerbattalion
Aufgrund der Ereignisse im Raum Schmidt (s. nächsten Abschnitt) hatte die 28. Div die Bildung einer “Task Force Ripple”, genannt nach dem BtlKdr des 707. PzBtl, LtCol Ripple, befohlen. Die Task Force Ripple bestand aus dem III./110, herausgezogen aus dem Abschnitt Raffelsbrand, geschwächt durch die erbitterten Gefechte um Bunker und im Wald sowie aus Pz- und PzJg-Einheiten, die sich teils schon südlich der Kall befanden, oder teils noch nach Kommerscheidt vorgeführt werden sollten (z.B. die D-Kp/707, ausgestattet mit leichten Panzern). Auftrag der Task Force war es, Schmidt wieder einzunehmen. Das III./110 ging über eine Schneise, parallel zum Kallweg in dem Talgrund vor und drängte am Morgen des 6. November die A.A. 116 einige hundert Meter nach Osten zurück. So war der Kallweg den 6. November über wieder offen. Bis zum Abend des 6. November ging nun an der Brücke die C-Kp/1340, die ebenfalls aus dem Raum Raffelsbrand herangeführt worden war, in Stellung.
Zwischen Vossenack und Brücke lagen, neben Teilen der A-Kp/20. noch Reste der B-Kp/20 sowie die B-Kp/1340, aber mehr an den Waldeingängen südlich Vossenack als im Zuge des Kallweges. In der Nacht 677. November ging die A.A. 116 erneut gegen den Kallabschnitt vor, vernichtete die Masse der B-Kp/1340 und unterbrach erneut und nunmehr endgültig die Verbindungslinie nach Kommerscheidt.
Selbst als am 8. November das III./109 -herausgelöst aus dem Raum Hürtgen -mit der Masse des 1340. EngrBtl am Kallweg eingesetzt wurde, gelang es nur, eine Verteidigungslinie nördlich des Flusses, etwa im Zuge des Ost-West-Uferweges, aufzubauen. Hart südlich des Flusses hatte die A.A. 116 und GrenRgt 1056 eine feste Front aufgebaut. Trennungslinie etwa an der Mestrenger Mühle (Skizze 3).
Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel