Die Schlacht im Hürtgenwald - I. Teil

Oberstleutnant
i.G. Klaus Hammel

V. Erste Kämpfe im Hürtgenwald

Vorstoß im Stolberg-Korridor

  1. Als Folge der Entscheidung, die 1. (US) Armee näher an die 21. HGr heranzuziehen, deckte diese bei ihrem Auftreffen auf die Reichsgrenze in einem weiten Bogen den Raum Albert-Kanal - Aachen - Luxemburg ab. Zwischen den Korps und Divisionen befanden sich breite Lücken, die meistens durch die Kavallerie-Gruppen oder -Kompanien (z. B. 4 Cav Group des VII. Korps) abgedeckt waren. Daneben gingen die Divisionen in breiten Gefechtsstreifen vor, prak­tisch waren alle Kräfte vorn eingesetzt. Dem VII. (US) Korps war der Raum Aachen - Schnee - Eifel. Breite des Gefechtsstreifens etwa 60 km. zugewiesen worden.

    Das V. (US) Korps hatte nördlich Trier die Reichsgrenze erreicht, das XIX. (US) Korps hing westlich Aachen (Betriebsstoffmangel!) noch 1-2 Tage zurück. General Collins, KG VII. Korps, beabsichtigte auf Aachen vorzugehen und unter dem Vorwand "kampfkräftiger Aufklärung" zumindest die günstige Gelegenheit auszunutzen, um den Westwall zu durchstoßen, Eschweiler nordostwärts von Aachen zu nehmen und danach in Richtung Düren einzudrehen. Danach mußte, spätestens an der Rur, aus logistischen Gründen ein Halt eingelegt werden. Sollte die "bewaffnete Aufklärung" nicht ausreichen, konnte der Westwall erst durch einen Angriff nach Vorbereitung überwunden werden.

  2. An dieser Stelle muß auf drei Begriffe eingegangen werden, die im Verlauf der beginnenden Schlacht immer wieder genannt werden. Sie waren aus einer Art Gelände taufe entstanden. Die Amerikaner bezeichneten den relativ offenen, sich südlich an Aachen nach Nordosten vorbeiziehenden Geländeabschnitt nach der darin liegenden Stadt Stolberg- Korridor. Südlich davon erstreckte sich ein großes Waldgebiet, eigentlich ohne größere Unterbrechung sich an das in Belgien liegende Hohe Venn anschließend: Staatsforst Wenau, Staatsforst Hürtgen und weitere Forstgebiete. Obwohl mit der Ortschaft Hürtgen eigentlich keine Verbindung bestand, erhielt das gesamte Waldgebiet im Verlauf der Kämpfe den Namen Hürtgenwald. Wohlgemerkt: von den Amerikanern. Auf deutscher Seite wurde der Name erst nach dem Krieg gebräuchlich.

    Südlich des Hürtgenwaldes schloß sich ein weiterer offener, mit vielen Straßen gut erschlossener Geländestreifen an, der sich von Monschau ausgehend über Rollesbroich, die offene Hochfläche von Schmidt bis beinahe zur Rur zog: der Monschau-Korridor. Nur Monschau-Korridor und Stolberg-Korridor waren für den Einsatz größerer mechanisierter Verbände geeignet.

    • KARTE HÜRTGENWALD
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  3. Den Auftrag, im Stolberg-Korridor anzugreifen - denn trotz des Decknamens “kampfkräftige Aufklärung” handelte es sich in der Tat wegen des Umfangs der Kräfte um einen Angriff- hatte die 3. (US) PzDiv. Aufgrund des nur langsamen Vordringens am 12. September hatte General Collins befohlen, am 13. September Aachen auszusparen, um so schnell wie möglich die 1. und 2. Westwall-Linie zu überwinden. Im Stolberg-Korridor und den sich südostwärts anschließenden Randgebieten des Hürtgenwaldes (Staatsforst Wenau) standen die Reste der 9. PzDiv, der PzBrig 105 und die Sturmgeschützbrigade (Abteilung) 394. Stärke etwa eine Kampfgruppe, dazu 10-15 Kampfpanzer und etwa 8-10 Sturmgeschütze. 44

    Gegenüber diesen Kräften nahmen die Amerikaner bis zum 18. September den Raum etwa bis zur Linie nordostwärts Aachen - Südteil Stolberg - Schevenhütte. Der Angriff war nur sehr vorsichtig und ohne Schwung vorgetragen worden. Ab 16. September war die aus dem Osten antransportierte, frisch aufgefüllte 12. InfDiv, Kommandeur der ehemalige Heeresadjutant von Hitler, Oberst Engel, zum Auffangen der 3. (US) PzDiv bzw. zum Gegenangriff eingesetzt worden. Der Gegenangriff schlug nicht durch. Aber der Angriff der Amerikaner war gestoppt, obwohl sie die 1. Westwall-Linie und in einem etwa 5 km breiten Abschnitt die 2. Westwall-Linie überwunden hatten. Ein Regiment der 9. (US) InfDiv, das 47 th Infantry, hatte als Flankensicherung der 3. (US) PzDiv gegen nur schwachen Widerstand der Deutschen (353. IDiv?) zuerst Zweifall und Vicht und dann am 16. September Schevenhütte eingenommen. Dieser Ort sollte für zwei Monate der östlichste Punkt bleiben, zu dem die Amerikaner vordringen konnten.

Kämpfe bei Monschau

  1. Die 9. (US) InfDiv des VII. Korps stand etwas später zur Verfügung als die 3. (US) PzDiv. Ihr Auftrag war es, das Waldgebiet südwestlich Düren zu säubern und das Straßennetz (befestigte Straßen!) um Düren zu nehmen, darüber hinaus die rechte Flanke des VII. Korps zu schützen. Die Division hatte - da das 47. (US) InfRgt bei der 3. PzDiv eingesetzt war - mit zwei Regimentern eine Breite von knapp 30 km abzudecken. Im unübersichtlichen Waldgelände, selbst bei dem nur angenommenen schwachen Feind, eine sehr schwierige Aufgabe. Die Division hatte das 39 th Infantry aus dem Raum Roetgen in Richtung Lammersdorf angesetzt - Auftrag, in Richtung Düren anzugreifen - das 60 th Infantry sollte das beherrschende Höhengelände südostwärts Monschau nehmen. Teile des Rgt stellten praktisch die Reserve der Div dar. 45


    Abgeschossener Panzer IV
  2. Monschau und das Höhengelände südostwärts davon - Raum Höfen - Alzen - wurden durch das GrenRgt 1056 der 89. InfDiv verteidigt. Obwohl der harte Kern nur aus etwa 350 Mann bestand, der Rest gehörte zu dem hier eingesetzten ErsBtl 37, gelang es den Amerikanern erst nach harten Kämpfen, unter Einsatz des gesamten Regiments, mit Unterstützung von Panzern und Panzerjägern (Ausschalten der Westwall-Bunker im direkten Richten!), das Höhengelände und die darin liegenden Bunker bis zum 18. September in die Hand zu bekommen. Fünf Tage hatten die Reste des Rgt 1056 einer Übermacht standgehalten. Für die Amerikaner ging wertvolle Zeit verloren.


    Abb 6: Gesprengte Straßenbrücke in Zweifal über den Vicht Bach

Erstmals: Hürtgenwald!

  1. Auch das 39. (US) InfRgt machte ab 14. September die Erfahrung, was eine ausgebaute Stellung und Geländekenntnis, selbst für eine zusammengewürfelte, schlecht ausgebildete und schlecht ausgerüstete Truppe, bedeuten kann. Der Raum Lammersdorf, vor allem die stark befestigte Höhe 554 (Paustenbacher-Höhe) wurde durch die Reste des GrenRgt 1055 (dabei Teile ErsRgt 416?), ebenfalls 89. InfDiv, verteidigt. 46 Selbst unter Einsatz aller drei Btl gelang es dem 39. InfRgt nicht, mehr als einige Stellungen und Bunker zu nehmen. Der Stoß in Richtung Rollesbroich und damit weiter in den Monschau-Korridor war den Amerikanern verwehrt. In drei Tagen erbitterter Kämpfe war ihnen nur ein Vordringen von etwa 2 km Tiefe in den Westwall hinein gelungen. Nach Norden zum 47. InfRgt bestand eine Lücke von fast 12 km, nach Süden zum 60. InfRgt von ca. 8 km. Das 39. InfRgt allein war zu schwach, um im Monschau-Korridor anzugreifen.

  2. (1) Beide Seiten gruppierten um. Mit Einschieben der 12. InfDiv übernahm die 353. InfDiv (ab 16. September?) den Abschnitt Schevenhütte (ausschließlich) - Kall-Tal und fand so Anschluß zur 89. InfDiv. 47 Bis dahin hatten offensichtlich nur schwache Kräfte in dieser Lücke überwacht.

    Wahrscheinlich unterstand der Division später auch die Masse des ErsRgt 253 (bisher nur Btl 453), da dieses Regiment bei der Übergabe des Gefechtsstreifens Anfang Oktober 1944 an die 275. InfDiv in Stellung um Raffelsbrand lag.

    Der 353. InfDiv muß auch das LwFestungsBtl XX zugeführt worden sein. Darüber hinaus wurde sie nach und nach durch zwei (nicht voll aufgefüllte) Bataillone der 347. InfDiv, das III./GrenRgt 860 und das III./GrenRgt 861, verstärkt. Der Gefechtsstreifen der 347. InfDiv war zu dieser Zeit weniger bedroht. 48

    Der Abschnitt des 60. (US) InfRgt bei Monschau übernahm die 4. Cav Group, ein Btl des 60. Rgt verblieb dort, zugleich Verstärkung und Reserve.

    Das 60. Rgt (—1) wurde zwischen dem 47. Rgt und dem 39. Rgt im Raum Zweifall eingesetzt. Damit standen sich bereits die Gegner für den Verlauf der Kämpfe bis Ende Oktober 1944 gegenüber: 9. (US) InfDiv und 353. InfDiv, bzw. 275. InfDiv, die später deren Gefechtsstreifen und deren Truppen übernahm. Auftrag des 60. (US) InfRgt ist es, die Hochfläche um Kleinhau - Hürtgen - Germeter zu nehmen. Für das fehlende Btl, das im Raum Monschau verblieben ist, wird dem Rgt das I./39 (US) InfRgt unterstellt.

    (2) Am 19. September treten erneut zum Angriff an:

    • das III./39, verstärkt durch das 15. Combat EngBtl, um zunächst die Höhe 554, danach Rollesbroich und Kallbrück zu nehmen,
    • das I./39, von Zweifall aus, um im dichten Waldgelände angreifend die Rote und Weiße Wehe zu überschrei­ten und danach auf Hürtgen vorzustoßen,
    • das I./60, ebenfalls von Zweifall aus, aber so angreifend, um über das Gieschbach-Tal den Todtenbruch zu nehmen und danach das Wegenetzsüdlich Germeter.

    Zerschossener Hürtgenwald

    Die erbitterten Kämpfe um die Höhe 554 setzen sich fort: Bunkerkampf, Kampf um Sperren und um die Höckerlinie, Sprengungen, Stoß und Gegenstoß. Die Kompanien des III./ 39 sind nach wenigen Tagen nur noch 60 bis 80 Mann stark. Jeder Bunker muß einzeln “ausgeräuchert” werden. Am 29. September fällt endlich die Paustenbacher-Höhe. Die Kraft des 39. InfRgt reicht nicht mehr aus, noch die Bunker um Rollesbroich zu nehmen. Im Zuge der Straße Lammersdorf - Germeter (heute B 399) gehen Teileinheiten vor und stellen dort Verbindung mit dem I./60 her.


    Abb. 8: Schwieriges Gelände im Hürtgenwald

    Das I./60 war im Giesbach-Tal gut vorangekommen. Die dort liegenden Bunker waren nicht besetzt. Erst im sumpfigen Hochmoor des Todtenbruch („Deadman's Moor") erhalten die Einheiten starkes Feuer aus den dort liegenden Bunkern der 2. Westwall-Linie, den Bunkern 342/343, 353 und der Bunkergruppe 363, 364, 365. Die Deutschen hängen wie die Kletten in jeder Stellung. Die Bunker wechseln mehrfach ihre Besitzer. Die Amerikaner sind ungeübt im Waldkampf. Das Gelände, die Orientierung machen Schwierigkeiten. Die Funkverbindungen fallen in dem zerschnittenen Gelände aus, die Zielortung für die Artillerie ist schwierig. Selbst die schlecht ausgebildeten Deutschen sind wesentlich geschickter im Waldkampf, in der Infiltration, im Angriff bei Nacht. Bei einem Gegenangriff gegen die Bunkergruppe 363-365 nehmen sie 49 Amerikaner, darunter alle Führer und Unterführer der A-Kp/60 gefangen. 49

    • SKIZZE 4C
      Skizze 4: Angriffe 9.(US) InfDiv im Sept. 1944 im Raum Zweifall-Germeter-Todtenbruch
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    Das I./39 war am 19./20. September relativ schnell bis zur Weißen Wehe vorgestoßen. Nach dem Überschreiten des Flusses wird der Widerstand stärker. Bevor das Btl weiter zum Angriff antreten kann, wird es herausgezogen und nach Schevenhütte geworfen (Gegenangriffe der 12. InfDiv!). Als es am 25. September zurückgeführt wird, soll es mit dem II./ 60 zur Unterstützung des I./60 im Todtenbruch eingesetzt werden. Das I./60 ist nicht mehr angriffsfähig. Beide Btl beginnen am 26. September mit ihrem Angriff.

    Am 28. September haben sie die Bunker nördlich Peterberg genommen und Verbindung bei Jägerhaus mit dem I./39 hergestellt.

    “Aber es war eine verlustreiche, niederdrückende Folge von Angriff und Gegenangriff, ein kräftezehrender, ermüdender Kampf Mann gegen Mann, der den Amerikanern wenig Gelegenheit bot, ihre Überlegenheit an Artillerie, Panzern oder gar der Luftwaffe einzusetzen. Feindliche Spähtrupps unterbrachen ständig die Verbindungslinien. Obwohl die Einheiten bei Nacht die Rundumverteidigung wie beim Dschungelkampf einnahmen, mußte die Stellung erst von eingedrungenen Deutschen gesäubert werden, bevor der Angriff am nächsten Tag beginnen konnte. Die Verluste waren so stark, daß am Ende des Monats das 60. InfRgt einschließlich des zugeteilten I./39 nicht in der Lage war, den Angriff auf Hürtgen wieder aufzunehmen... In dem schwierigen Kampf um Bunker und im Wald war der Preis für "leaming on the job" sehr hoch. 50 Die Deutschen hatten Zeit gewonnen und ihre Schwächephase überwunden, die Positionen für den Oktober waren abgesteckt.

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Quelle: HEER - “Vor 40 Jahren” - Truppenpraxis 10/84 - Oberstleutnant i. G. Klaus Hammel

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